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Ein im Sinne der Aufklärung aufgeklärter Psychiater ist sich der Grenzen seiner psychiatrischen Erkenntnisse bewusst.1

Ein im Sinn der Aufklärung nicht aufgeklärter Psychiater ist sich dieser Grenzen nicht oder nicht hinreichend bewusst.

Wenn man sich der Erkenntnisbasis in der Psychiatrie bewusst ist, dann weiß man, dass man auf der Grundlage der psychiatrischen Ideen nur relatives Wissen erlangen kann, weil dieses Wissen auf der Grundlage von Ideen erlangt wird und nicht auf der Grundlage von Fakten.1

Im Gegensatz zur Psychiatrie kann man in der Medizin viele Erkenntnisse auf der Ebene der Fakten erlangen, und das Wissen auch auf dieser Ebene allgemein gültig überprüfen. Daher handelt es sich bei solchem Wissen in der Medizin um objektives Wissen bzw. um absolutes Wissen.

Jemand der im Sinn der Aufklärung aufgeklärt ist weiß also um die Beschränktheit5 seines Wissens, wenn dieses auf der Grundlage von nicht objektivierbaren Ideen - sprich auf der Grundlage von bloßen Ideen2 erlangt wird.

Jemand der sich der Erkenntnisbasis in der Psychiatrie bewusst ist wird sein erlangtes Wissen nicht überschätzen. Hingegen jemand der sich der Erkenntnisbasis und der daraus folgenden Konsequenzen nicht bewusst ist, gelangt leicht dahin zu glauben "sicher" zu wissen, wo man nicht "sicher" wissen kann.2,3,5

Man sollte in der Psychiatrie sich also der Relativitätund der Beschränktheit der Erkenntnisse bewusst sein, dann wird man die psychiatrischen Ideen richtig - nämlich relativistisch2,5 verwenden und damit nicht in Widersprüche (Antinomien)3 geraten was unvermeidlich geschehen wird wenn man die Ideen falsch verwendet bzw. seine Erkenntnisse überschätzt.

Daher sagt Karl Jaspers soll man das Wissen in der Schwebe4 halten, bzw. sollte man eine psychiatrische Idee, die ihrem Wesen nach eine psychologische Idee ist nur relativistisch2 verwenden.

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Nachfolgend der Text und die Zitate zu den Fußnoten:

(1) Zitat von Immanuel Kant:

" Es ist ein großer Unterschied, ob etwas meiner Vernunft, als ein Gegenstand schlechthin, oder nur als ein Gegenstand in der Idee gegeben wird. In dem ersteren Falle gehen meine Begriffe dahin, den Gegenstand zu bestimmen; im zweiten ist es wirklich nur ein Schema, dem direkt kein Gegenstand auch nicht einmal hypothetisch zugegeben wird, sondern welches nur dazu dient, um andere Gegenstände, vermittelst der Beziehung auf diese Idee, nach ihrer systematischen Einheit, mithin indirekt uns vorzustellen." (Ende des Zitats)

Zitat aus Band IV, Gesammelte Werke, Immanuel Kant: "Kritik der reinen Vernunft", Transzendentale Dialektik, Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik, Seite 583, suhrkamp Taschenbuchausgabe, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, 1. Auflage 1974, ISBN 3-538-27653-7

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(2) Zitat von Immanuel Kant:

"... Aus einer solchen psychologischen Idee kann nun nichts anderes als Vorteil entspringen, wenn man sich nur hütet, sie für etwas mehr als bloße Idee, d.i. bloß relativistisch auf den systematischen Vernunftgebrauch in Ansehung der Erscheinungen unserer Seele, gelten zu lassen. Denn da mengen sich keine Gesetze körperlicher Erscheinungen, die ganz von anderer Art sind, in die Erklärungen dessen, was bloß für den inneren Sinn gehöret; ...."

Zitat aus Band IV, Gesammelte Werke, Immanuel Kant: "Kritik der reinen Vernunft" (Transzendentale Dialektik, von der Endabsicht der natürlichen Dialektik), Seite 592, suhrkamp Taschenbuchausgabe, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, 1. Auflage 1974, ISBN 3-538-27653-7

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(3) Zitat von Jaspers Zitat aus seinem Buch "Allgemeine Psychopathologie"

(Buchnachweis siehe unten)

"(f) Die Forschung unter Führung von Ideen.

Kant hat begriffen und großartig gezeigt: Wo ich das Ganze erfassen will, sei es die Welt oder den Menschen, verschwindet mir der Gegenstand, weil das was ich meine, Idee (Aufgabe unendlicher Forschung), nicht bestimmte und geschlossene Endlichkeit ist. Was ich erkenne, ist niemals die Welt, sondern etwas in der Welt; die Welt ist kein Gegenstand, sondern Idee. Versuche ich fälschlich von ihr als einem Gegenstand Aussagen zu machen, so verwickle ich mich in unlösbare Antinomien. In der Welt kann ich nach allen Seiten erkennend voranschreiten. Die Welt kann ich nicht erkennen.

Nicht anders ist es mit dem Menschen. Der Mensch ist so umfassend wie die Welt. Ich habe ihn nie mehr im Ganzen, wenn er mir Gegenstand geworden ist und dies immer in einer bestimmten Weise und unter bestimmten Gesichtspunkten. Aber das Ganze bleibt doch. Wo ich das Ganze suche, suche ich ins Unendliche die Beziehungen allem bestimmt Faßlichen aufeinander (das Kennzeichen von Arbeiten, die unter einer Idee auf das Ganze gehen, ist, dass sie alles bis dahin Zerstreute systematisch in Beziehung setzen, schlechthin universal von allem zu sprechen scheinen, während sie das Eine meinen). Wenn ich das Ganze als Idee auch nicht geradezu erkennen kann, so nähere ich mich ihm - mit Kants Worten - durch das "Schema" der Idee. Schemata sind entworfene Typen, falsch, wenn ich sie als Realitäten behandle oder als Theorien von einem Zugrundeliegenden, wahr als methodisches Hilfsmittel, das grenzenlos korrigierbar und verwandelbar ist.

g) Methoden der Typologie.

Das erkennbare Gegenstandsein fange ich ein in Gattungen, zu denen es gehört, den Gegenstand der Idee umkreise ich in Typen. Es ist unerläßlich und klärend, den Unterschied von Gattung und Typus festzuhalten. Zu einer Gattung (z.B. Paralyse) gehört ein Fall oder er gehört nicht. Gattung ist der Begriff einer wirklich vorhandenen abgrenzbaren Art. Typus ist ein fikitives Gebilde, dem eine Wirklichkeit mit fließenden Grenzen entspricht, an dem ein Einzelfall gemessen, dem er aber nicht eingeordnet wird. Daher ist es sinnvoll, den Einzelfall an vielen Typen zu messen, um ihn möglichst zu erschöpfen. Dagegen liegt es nahe, daß die Unterordnung unter eine Gattung ihn erledigt sein läßt. Gattungen gibt es, oder es gibt sie nicht. Typen erweisen sich bei der Erfassung von Einzelfällen (in ihrer Eigenart aus dem vorausgesetzten Ganzen ihres Seins) als fruchtbar oder nicht. Durch Gattungen werden reale Grenzen erkannt, durch Typen nur einer fließenden Mannigfaltigkeit eine Struktur gegeben.

Wie entstehen Typen? Durch unsere denkende Anschauung, mit der wir ein konstruierbar zusammenhängendes Ganzes entwickeln. ...

... Typologien sind überall möglich, wo Ganzheiten gesucht werden. Es gibt Typen der Intelligenz und Demenz, Typen des Charakters, Typen des Körperbaues (in morphologischer oder in physiognomonischer Konstruktion), Typen der Krankheitsbilderusw. Immer ist mit ihnen ein Schema der Idee des jeweiligen Ganzen gesucht." (Ende des Zitats)

aus:

Karl Jaspers: "Allgemeine Psychopathologie", 9. unveränderte Auflage, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg-New York 1973, Seite 468 - 469, ISBN 3-540-03340-8, ISBN 0-387-03340-8

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(4) Zitat von Karl Jaspers:

"… Instinktiv wehren wir uns, irgendeines dieser Schemata zum alleinherrschenden System zu erheben; wir merken, daß wir damit alles vergewaltigen, daß wir uns selber und andere, die es etwa annehmen möchten, geistig totschlagen würden. Statt dessen suchen wir das eine Schema durch das andere zu paralysieren; wir suchen zwar Schemata auszubilden, aber durch deren Mehrzahl uns selbst in der Schwebe zu erhalten. Trotz allem systematischen Bemühen sind wir also nie fertig, sondern haben immer statt eines wirklichen Systems doch zuletzt nur einen Katalog, statt eines dirigierenden Systems eine Reihe sich überlagernden, ja ausschließender, relativer Schemata. - Mit dem jeweiligen Gerüst von Ordnung, diesem Skelett, nehmen wir nun den weiteren Stoff auf, in biographischen, historischen Studien, lebendigen Betrachtungen des Gegenwärtigen. Der Strom dieses Stoffes ist unerschöpflich. Vieles lassen wir vorbeigehen, weil es uns nicht interessiert. Was uns irgendwie als wesentlich auffällt, das halten wir fest, fragen, wohin es gehört. So tritt eine Wechselwirkung zwischen unseren systematischen Gerüsten und den neuen Materialien ein: das Neue wird entweder in vorhandenen Formen aufgefaßt, identifiziert, es wirkt bereichernd, aber das Gerüst kann es aufnehmen; oder es wird mit Deutlichkeit und Klarheit als neu erkannt, es wird begriffen, daß dieses noch keinen Ort hat, das Gerüst erweitert sich, oder das ganze Gerüst wird umgebaut."

Zitat aus

Karl Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen, 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1971, Seite 16

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(5) Zitat von Karl Jaspers:

"Gehen wir aber von dieser Restriktion der Idee auf den bloß regulativen Gebrauch ab, so wird die Vernunftauf so mancherlei Weise irre geführt, indem sie alsdenn den Boden der Erfahrung, der doch die Merkzeichen ihres Ganges enthalten muß, verläßt, und sich über denselben zu dem Unbegreiflichen und Unerforschlichen hinwagt, über dessen Höhe sie notwendig schwindlicht wird, weil sie sich aus dem Standpunkte desselben von allem mit der Erfahrung stimmigen Gebrauch gänzlich abgeschnitten sieht.

Der erste Fehler, der daraus entspringt, dass man die Idee …… nicht bloß regulativ, sondern (welches der Natur einer Idee zu wider ist) konstitutiv gebraucht, ist die faule Vernunft (ignava ratio). Man kann jeden Grundsatz so nennen, welcher macht, dass man seine Naturuntersuchung, wo es auch sei, für schlechthin vollendet ansieht, und die Vernunft sich also zur Ruhe begibt, als ob sie ihr Geschäfte völlig ausgerichtet habe. Daher selbst die psychologische Idee, wenn sie als ein konstitutives Prinzip für die Erklärungen der Erscheinungen unserer Seele, und hernach gar, zur Erweiterung unserer Erkenntnis dieses Subjekts, noch über die Erfahrung hinaus (ihren Zustand nach dem Tode) gebraucht wird, es der Vernunft zwar sehr bequem macht, aber auch allen Naturgebrauch derselben nach der Leitung der Erfahrungen ganz verdirbt und zu Grunde richtet. So erklärt der dogmatische Spiritualist die durch allen Wechsel der Zustände unverändert bestehende Einheit der Person aus der Einheit der denkenden Substanz, die er in dem Ich unmittelbar wahrzunehmen glaubt ….. Noch deutlicher fällt diese nachteilige Folge bei dem Dogmatism unserer Idee von einer höchsten Intelligenz und dem darauf fälschlich gegründeten theologischen System der Natur (Physikotheologie) in die Augen. Denn da dienen alle sich in der Natur zeigende, oft nur von uns selbst dazu gemachte Zwecke dazu, es uns in der Erforschung der Ursachen recht bequem zu machen …… Dieser Fehler kann vermieden werden, wenn wir nicht bloß einige Naturstücke, …. betrachten, sondern diese systematische Einheit der Natur … ganz allgemein machen. Denn alsdenn legen wir eine Zweckmäßigkeit nach allgemeinen Gesetzen der Natur zum Grunde, von denen keine besondere Einrichtung angenommen, sondern nur mehr oder weniger kenntlich für uns ausgezeichnet worden, und haben ein regulatives Prinzipder systematischen Einheit einer teleologischen Verknüpfung, die wir aber nicht zum Voraus bestimmen, sondern nur in Erwartung derselben die …… Verknüpfung nach allgemeinen Gesetzen verfolgen dürfen. Denn so allein kann das Prinzip der zweckmäßigen Einheit den Vernunftgebrauch in Ansehung der Erfahrung jederzeit erweitern, ohne ihm in irgend einem Fall Abbruch zu tun.

Der zweite Fehler, der aus der Mißdeutung des gedachten Prinzips der systematischen Einheit entspringt, ist der der verkehrten Vernunft (perversa ratio … ). Die Idee der systematischen Einheit sollte nur dazu dienen, um als regulatives Prinzip sie in der Verbindung der Dingenach allgemeinen Naturgesetzen zu suchen, und, so weit sich etwas davon auf dem empirischen Wege antreffen läßt, um so viel auch zu glauben, daß man sich der Vollständigkeit ihres Gebrauchs genähert habe, ob man sie freilich niemals erreichen wird. Anstatt dessen kehrt man die Sache um, und fängt davon an, daß man die Wirklichkeit eines Prinzips der zweckmäßigen Einheit als hypostatisch zum Grunde legt, …. " (Ende des Zitats)

Zitat aus Band IV, Gesammelte Werke, Immanuel Kant: "Kritik der reinen Vernunft" (Transzendentale Dialektik, Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik, Seite 596 - 598) suhrkamp Taschenbuchausgabe, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, 1. Auflage 1974, ISBN 3-538-27653-7

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